Am Berliner Hauptbahnhof wird die Deutsche Bahn zur „Titanic“: Zugfahrt ins Nichts

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Am Berliner Hauptbahnhof wird die Deutsche Bahn zur „Titanic“: Zugfahrt ins Nichts

Am Berliner Hauptbahnhof wird die Deutsche Bahn zur „Titanic“: Zugfahrt ins Nichts

Wir standen zu Hunderten, gefühlt natürlich Tausenden am Gleis, Riesenverspätung mal wieder, normal. Und als wir endlich einstiegen, da kam diese Musik von oben. Gab es jetzt Live-Klavierspiel am Hauptbahnhof? Kam es aus einem der Läden? Wir wussten es nicht, wir hörten nur die geklimperte Version von Céline Dions „My Heart Will Go On“, den Soundtrack zum Untergang der „Titanic“ aus dem Jahr 1997 über die Gleise des Berliner Hauptbahnhof rieseln.

Der dazugehörige Film beruht ja auf der wahren Geschichte des Riesendampfers, der als unsinkbar galt und dann gleich bei seiner ersten Tour einen Eisberg rammte und im Nordatlantik versank. Eine mythische Geschichte wie eine antike Sage der Moderne. Unser Schienendampfer dagegen fuhr einfach nicht los. Wir saßen dann zwei Stunden lang vollbesetzt im Zug herum. Und es lag nicht mal am apokalyptischen Unwetter, der ganzen Katastrophe. Es ließen sich einfach ein paar Türen des vorderen Zugteils nicht schließen, oder öffnen, ich weiß es nicht mehr. Man konnte halt nicht losfahren, normal.

Vielleicht fuhr der Zug nie los, wir wissen es nicht. Nach zwei Stunden durften wir in einen anderen steigen, der dann doppelt oder dreifach besetzt irgendwann losfuhr. Panikattacken wegen Atemnot und Platzmangel, normal. Und dann dieses tristeste Gefühl in Deutschland: In Wut und Vergeblichkeit und Weltendgefühle geraten wegen der Deutschen Bahn. Immer wieder, hundertmal, gefühlt tausendmal. Und man will es ja gar nicht, man ist doch eigentlich Fan dieser Art von Mobilität.

Berlin: Der einzige Ort, der noch normal ist

Aber ich saß da und bekam das Lied des Untergangs nicht aus dem Kopf. Und dachte an Jeff Bezos, der ganz Venedig für seine Hochzeit buchte. An die Regierungsspitzen der westlichen Welt, die Donald Trump so lange das Händchen halten, bis er ganz zufrieden ist wie ein orangefarbenes Baby, oder Jeff Bezos, oder ein anderer König des Mittelalters. Und dann noch die Atombombe des Iran.

Einen Tag zuvor traf ich im Schwimmbad zufällig zwei weltreisende Freunde, die mal wieder hier verweilten. Sie meinten, verglichen mit dem Rest der Welt wäre Berlin der einzige Ort, der noch normal ist. Ich hörte ihnen staunend zu. Ja, dachte ich nun auf meinem Platz, es ist doch eigentlich wirklich nicht so schlimm. Es ist doch nur der Untergang der Deutschen Bahn, der ich als Passagier beiwohne und die dazu nun auch noch den passenden Soundtrack spielt.

Berliner-zeitung

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